Text von Niggi Schoellkopf über die ersten 50 Jahre der Rumpel-Clique 1923 bis 1973
Die Zeitungen berichteten in den ersten Wochen des kaum angebrochenen Jahres über Geschehnisse, die längst in Vergessenheit gerieten oder aber inzwischen zu Weltereignissen geworden sind:
«Hitler tagt in München, Mussolini wird Leiter des Luftschifffahrtsamtes,
die Ständerätliche Kommission tagt in Bern und traf Massnahmen gegen die Überfrem- dung in der Schweiz, die Franzosen besetzten Offenburg und Appenweier. In Basel findet die Volkshausabstimmung mit 10172 Ja gegen 9797 Nein statt und Zürich verzeichnet an jenem 14. Februar 1923 4684 Arbeitslose».
Dass die Fasnacht vor der Tür stand, das zeigte die gut gefüllte Inseratenserie der National-Zeitung an. Denn das Warenhaus Louvre bietet «extra billiger Verkauf in Fastnachts-Artikel» an und offeriert Samt-Halbmasken zu 0,65 Fr., Clown-Hüte zu 0,55 Fr., Peitschen zu 0,15 fr. und Domino-Masken für 0,65 Fr.. Ein Restaurant sucht hingegen «tüchtiges Fräulein für Champagner-Stube für die Basler
Fastnacht» und ein grosses Herren-Kleidergeschäft inseriert eine Zeitungsseite gross « ... die vornehme Kleidung für Fastnacht: Frack-Anzüge in guten Stoffen und bester Ausführung 195.00, 225.00».
Die VKB kündet grosse Maskenbälle in der Burgvogteihalle an, und gleich unter jenem Inserat entdeckt man die Annonce «stille Freundschaft sucht junge Dame mit gut situiertem, diskret. Herrn. Eventl. spätere Heirat». Waggis-Blusen (prima Satinette) sind für Fr. 6.50 zu haben und Basel I verliert an jenem Wochenende im Match gegen Old Boys I mit 0:5! Von einer Rumpel-Clique berichtete jedoch keine der grossen Tages-Zeitungen. Zur Tageszeit dieses 14. Februars gab es sie ja auch noch nicht, obschon die Geburtsstunde der Rumpier seit 2 Tagen eingeleitet war. Das kam nämlich so:
Acht Tage vor der Fastnacht 1923 (doch, doch, man schrieb dieses «heilige» Wort tatsächlich mit einem 't') trafen sich einige Kleinbasler Freunde am Stammtisch des Restaurant zum Greifen und beschlossen, die Fasnacht nicht mehr als Zivilisten vom Trottoirrand aus mitzuerleben, sondern, wie früher, wieder miteinander zu trommeln. Und weil am Montag und Dienstag das Monstre-Trommelkonzert stattfand, einigte man sich, am Äschermittwoch, am 14. Februar abends, die erste Trommelübung abzuhalten. Um 21 Uhr waren bereits vier Männer im Cafe Anselm (heutiger Barfüsserhof) erschienen, nämlich Gustav Spindler, Edi Dalang, Martin Strübin und sein Freund Alfred Schetty. Die Messingtrommeln wurden gespannt und die erste Trommelstunde nahm ihren Anfang. Allerdings nicht lange! Denn kaum rätzten die satten «Mätzli» durch die dicken Hauswände, da erschien bereits die erboste Wirtin und bot energisch absolute Ruhe. Die gute Frau war der Ansicht, dass die Herren «nur» zu einer Sitzung zusammengekommen seien. Trommeln? Nein, das wird in diesem Hause nicht gestattet.. Schliesslich müssen ihre Kinder schlafen. Und überhaupt... Also zusammenpacken! Aber wohin, mitten in dieser kalten Februarnacht? Guschti Spindler wusste Rat: «A-bah, mir gehn in my Byro im Glingedaal» meinte er trocken zu seinen drei Freunden. Sie fuhren also per Basler Strassenbahn über den Rhein und schon nach 15 Minuten Unterbruch rätzte es wieder. Diesmal die Dreier! Nach der Trommel - Übung zeigte Guschti Spindler seinen Freunden noch kurz das Haus und bemerkte, dass man sich hier im Haus «zum alten Rumpel», der ehemaligen Ryhiner'schen Bändelfabrik, befände. «Rumpel?»fragte einer. Und ein anderer meinte: «Do hänn mir jo scho unsere Clique-Name - d'Rumpel-Glygge!» Und weil man sich im Hause Guschti Spindler's befand, fiel ihm in diesem Augenblick die Ehre zu, das Amt des Gründungs-Obmanns dieser Rumpel-Clique zu übernehmen.
Und bevor sich die vier Freunde voneinander verabschiedeten und einander «guet Nacht» sagten,wurdevereinbart,dassmansichamFreitagabendwiederzumTrommelntreffen wolle. Und wer noch einen Freund dazu bewegen könne, solle dies möglichst tun. Die erste Nacht der neu gegründeten Rumpel-Clique folgte... Der Aufruf wirkte, denn am Freitagabend waren es bereits sieben Tambouren. Zu den bisherigen gesellten sich noch Louis Bossert, Paul Ammann und P. Wirz. Als währschafter Tambourmajor stellte sich noch an jenem Abend Franz Eisinger zur Verfügung. Jetzt begann die Rumpel-Clique aktiv zu werden. Am Montag, 19.Februar 1923, zwischen der dritten und vierten Morgenstunde, trafen sich die Rumpler im «Haus zum alten Rumpel» im Klingental. Alle im zusammengesuchten Charivari. Und kurz vor dem berühmten Vieri-Schlag zogen sie hinüber zum Restaurant Cafe Spitz. Es machte sich schon damals besser, den Morgeschtraich vor einer «Beiz» zu beginnen, als vor einem privaten Wohnhaus. In allerletzter Minute traf noch ein «neuer» Trommler ein: Guschti Rensch radelte per Velo, unter dem Gummimantel das Kostüm versteckt, die Trommel auf dem Rücken, vom Grossbasel hinüber zum «Spitz». Es reichte ihm noch knapp, sich in die hinterste Trommlerreihe zu stellen... Bimbam... Bimbam... Bam - Bam -Bam - Bam - hell und deutlich zeigte das Glöcklein im Cafe- Spitz-Türmlein die vierte Morgenstunde an. In Basel führte Frau Fasnacht von diesem Moment an das Szepter! Und die Rumpler zogen los, durch Strassen und Gässlein. Auch wenn es nicht so perfekt und echostark ruesste und pfiff wie bei andern umherziehenden Cliquen, sie, die Rumpler, sie waren seelig und genossen ihren ersten Rumpler-Morgeschtraich, wie kaum ein Fasnächtler einer andern Clique. So war es auch keine Überraschung, als man am Ende dieses langen Montagmorgens einstimmig beschloss: «Mir träffe-n-ys wieder am Mittwuch-z'Obe zwische Liecht und gseht's niemer im Huus zem alte Rumpel!»
Und so geschah es auch. Doch es erschienen nicht nur jene acht Trommler vom Morgeschtraich, sondern insgesamt 11 Trommler, hat doch dieser und jener inzwischen noch einen alten Fasnachtsfreund zum Mitmachen begeistern können. Sie zogen also am Fasnachts-Mittwochabend kreuz und quer durch die Stadt. Der leichte Regenspritzer, der ab und zu den Staub ab den Strassen fegte, konnte den standhaften Rumplern nichts antun! Das waren die Rumpler von anno 1923:
Tambourmajor: Franz Eisinger
Tambouren: M. Strübin, R. Brand, E. Dalang, R. Spindler, A. Schetty, P. Wirz, P. Ammann, L. Bosshardt, G. Spindler, P. Mähli, G. Rensch
Die drei Fasnachtstage vergingen im Nu und der normale Alltag belebte wieder das Stadtbild. Von der Rumpel-Clique nahm man nicht weiter Notiz, denn weder Zeedel noch gar eine Laterne zeigte an, dass es sie gab. Das Fasnachts-Comite registrierte dafür 23 Wagen, 15 grosse Cliquen und 11 Bubenzüglein. Von Guggenmusiken las man noch nichts!
Das Jahr 1923 verging und plötzlich zeigte der Kalender die Zahl 1924. An einem der ersten Februartage brachte der Briefträger all jenen, die vor einem Jahr bei den Rumplern mitwirkten «diggi Boscht». Einen Brief, unterzeichnet von Ruedi Brand und Guschti Spindler. Darin stand, wer Lust habe, auch dieses Jahr bei den Rumplern mitzuwirken, der möge sich demnächst im Restaurant zum Greifen einfinden. Und sie kamen!
Der Zufall wollte es, dass an jenem Abend einige Kleinbasler der Ehrengesellschaft zum Greifen ebenfalls an ihrem Stammtisch weilten und fanden, sie möchten wieder aktiv an der Fasnacht teilnehmen. Und so passierte also schon 1924 dasselbe, was im Jahre 1972 höchst aktuell ist: Man fusionierte! Die Männer «vom Gryffe» und die Rumpler trafen sich am darauf folgenden Samstag im Restaurant zum Greifen, um die Fasnacht 1924 in die Wege zu leiten. Doch sie waren nicht allein. Zwei stadtbekannte Ruesser, Emil Hug und Delfi Kern, zwei alte Olymper, hörten vom Treffen im «Greifen» und fanden, dass sie eigentlich auch wieder aktiv Fasnacht machen sollten. Sie kamen nicht allein, sondern brachten gleich noch zwei gute Freunde mit. Nun war die Rumpel-Clique nullkomma-plötzlich zu einer mächtigen Clique geworden. Und als es in Basel da und dort begann nach Larvenlack zu schmecken, beschlossen die Rumpler einhellig, dieses Jahr einen richtigen Zug auf die Beine zu stellen, mit einem Sujet, mit Laterne, Requisit und Zeedel.
Als am Morgen früh des 10. März 1924 die Glocke der nahen St.-Clara-Kirche viermal deutlich anschlug, da schlugen auch die Rumpler-Herzen kräftiger als an einem gewöhnlichen Montag. Jetzt waren sie eine richtige und grosse Fasnachts-Clique; es rätzte rumplerhaft! So zogen sie mit ihrer prachtvollen Laterne, die das Sujet «dr Usverkauf im Louvre» anzeigte, vom «Greifen» aus hinüber ins Grossbasel. Sie feierten solange «ihren» Morgeschtraich, bis der eine oder andere seinem Beruf nachgehen und somit die Gruppe verlassen musste.
Erst am Mittwochnachmittag trafen sie sich dann wieder, jetzt aber in ihrem ersten Sujetkostüm. 12 Vorträbler führten den imposanten Zug an; ihnen folgte die markante Laterne mit dem «Ausverkaufstrommler»; ein Signet, das sich das einstige Warenhaus «au Louvre» für die Total-Liquidation zugetan hatte und vom bekannten Kunstmaler Otti Plattner stammte. Wer dachte wohl damals, dass das Laternenbild später zum stadtbekannten Rumplersignet erkoren wird? Der Tambourmajor ging würdigen Schrittes als Kaufmannspriester vor der strammen Trommlergruppe, die in gemieteten Uniformen, weisser Hose und rotem Frack, wiederum das Warenhaus-Signet verkörperten. Und diese typische Trommlerfigur ist bis heute den Rumplern treu geblieben!
Der Abschluss dieser wohlgelungenen Fasnacht bestand im ersten Rumpler-Nachbummel zusammen mit den Damen. Zur Abendstunde zog man vom Bubendorfer-Bad aus heimwärts und am Revers oder Mantelkragen baumelte der «Rumpler», das Ebenbild der Laterne 1924. Damit war auch das erste Gründungsjahr endgültig vorbei und die mündliche Abmachung wurde vollzogen: Der Gründungs-Obmann, Guschti Spindler, übergab das Amt des Obmannes an Martin Strübin. Das Rumplerleben begann zu
blühen.
Man traf sich hin und wieder während der längeren Sommerpause zu einem «gutbürgerlichen Imbiss», unternahm einen Ausflug in die nähere Umgebung und wählte für alle Zukunft den treffenden Wahlspruch
D'Frindschaft pfläge, gmietlig sy,
dr Wahlspruch sell vom Rumpler sy!
Die Männer der Rumpel-Clique beherzigten ihn. Dank der Freundschaft und der echten Gemütlichkeit gedeihte, blühte und wuchs die noch junge Rumpel-Clique von Jahr zu Jahr. Jede Fasnacht wurde typisch rumpelmässig ausgefeilt. Zwar fehlte die Pfeifergruppe einige Jahre lang, so dass sich die Trommler vorerst mit Trommelmärschen begnügen mussten. Am Morgeschtraich des Jahres 1928 durften die Tambouren erstmals die gewichtigen Kopflaternen einweihen und im selben Jahr fand der Umzug vom Restaurant zum Greifen nach dem Restaurant du Pont (heute Hotel Hecht) statt.
Endlich - nach einem 8jährigen Warten - brachten es die Rumpler wieder zu einer Pfeifergruppe: 2 Pfeifer! Die 12 Trommler sorgten dafür, dass die hellen Piccolotöne nicht gar zu laut brillierten! 1933 - die Rumpler freuten sich am 10jährigen Bestehen. Vier Wochen vor der Fasnacht, nämlich am 6. Februar, trafen sie sich am Stammtisch und wählten das Sujet «dr Erziehigs-Diktator». Der Zug sollte im Jubiläumsjahr besonders witzig und bis ins letzte Detail ausgefeilt werden. Mit Elan machte man sich an die Arbeit. Aber es kam anders als wie vorgesehen: Aus Rücksicht auf einen Aktiven, der sein Brot beim Erziehungsdepartement verdiente und sich energisch gegen das beschlossene Sujet zur Wehr setzte, wanderten die Aufträge in den Papierkorb und bereits angefangene Arbeiten sogar ins Feuer. 8 Tage vor Fasnacht wurde kurzerhand ein neues Sujet gewählt. Am 6. März stand es fixfertig mit Laterne, Zeedel, Requisit und Kostümen auf der Strasse. Mit dem «Pumpier-Jubileeum» machten die 10 Jahre alt gewordenen Rumpler Furore!
1934: Das Stammlokal wurde einmal mehr gewechselt, diesmal zünftig. Man zog vom Kleinbasel hinüber ins Grossbasel und nistete sich im Restaurant Abt in der «Tor Steinen» ein. Das führte vor allem bei den eingefleischten Kleinbaslern zum energischen Protest, denn man wollte doch zeitlebens eine echte Kleinbasler Clique sein und bleiben. Und es kam, we es bei erhitzten Fasnächtlern ab und zu eben kommen muss: 's hett glepft!
Nicht so enorm stark, dass die Rumpler etwa in Liquidation machen mussten. Aber immerhin zeigten einige Kleinbasler Rumpler den jetzigen «Grossbaslern» den wertesten Unterteil des Rückens und blieben der Rumplerwelt fern. Doch auch über dieses Cliquenbeben wuchs allmählich wieder Gras und anno 1936 marschierte die Rumpel- Clique bereits wieder mit 13 Vorträblern, 9 Pfeifern und 12 Trommlern auf - für die damalige Zeit eine beachtenswert grosse Clique. Wer dachte am Morgenstreich vom 27. Februar 1939 wohl daran, dass es für ganze 6 Jahre die letzte Fasnacht sein sollte? Politische Gewitter zogen am friedlichen Himmel auf und die Fasnacht 1939 selber zeigte mit den zahlreichen politischen Sujets, dass die Welt morgens um 04.00 Uhr auch nicht mehr so in Ordnung war, wie in früheren Jahren. Die Rumpler ihrerseits zogen über den Basler Lokalpoeten Dominik Müller her, der im 3. Reich das zukünftige Paradies erblickte. Die Chronik berichtet darüber wörtlich: «'s het iberall in dr Schtadt gheisse, säll Zigli syg in allem saftig gsi. Säll hämmer au welle!»
Vom September 1939 an standen zahlreiche Rumpler im grünen Goschtym und am sonst so lebendigen Stammtisch bei Abt's kehrte ruhiges Leben ein. 12. Februar 1940. Normalerweise wäre an diesem Montag Frau Fasnacht aus der Kostümtruhe gestiegen und hätte für drei Tage regiert. Als Ersatz dafür trafen sich an diesem ersten Kriegsfasnachtsmontag die Rumpler mit ihren Angehörigen im «Schützenhaus», inszenierten einen improvisierten Morgeschtraich, gaben für ihre Mahlzeit ent- sprechende Mahlzeitencoupons ab und tanzten bis in den frühen Morgen hinein nach dem Motto: «Ich werd' dich nie, nie, nie vergessen...». D Dante Fasnacht nämmlig!
1945 trat endlich die lang ersehnte Waffenruhe in Platz Europa ein. Das zivile Leben rückte wieder in den Vordergrund und der Bebbi durfte ebenfalls endlich wieder an seine geliebte Frau Fasnacht denken. Die 5jährige Kriegspause leitete über in eine neue Fasnachtsepoche. Eine jüngere Generation trat mancherorts an die Spitze der Fasnachts- Cliquen. Bei den Rumplern nicht. Der im Jahre 1924 bestimmte (und nicht etwa gewählte!) Obmann, Martin Strübin, behielt die Fäden auch in den Jahren 1939-1945 pflichtbewusst in seinen Händen. So war es für ihn ein leichtes Unternehmen, die Rumpler nach Kriegsende, am 8. Mai 1945, zusammenzurufen. Und als am Abend des 17. November jenes Jahres vom Dachzimmer des «Goldenen Sternen» in der Aeschenvorstadt das Rumplerbanner grüsste, wussten nur die nächsten Eingeweihten, dass die Rumpler vom Restaurant Abt in den «Sternen» umgezogen waren und sich an jenem Abend das traditionelle Herbstessen auftragen liessen. Zugleich war es der Auftakt zur rund 4 Monate später stattfindenden ersten Nachkriegs -fasnacht, auf die sich ja tout Bâle sehnlichst gefreut hatte.
Ändlig! Die Fasnachtsplakette 1946 sagte mehr als 1000 Worte. Der Waggis und die Alti Dante umarmten sich auf der Mittleren Rheinbrücke... ändlig isch wider Fasnacht! Dieser Morgeschtraich vom 11. März 1946 ging bekanntlich in die Geschichte ein und jedem Basler, der damals dabei war, wird er zeitlebens in Erinnerung bleiben. Ganz Basel plus x-tausend Berner, Zürcher und andere Ausländer drängten sich in den Strassen und Gassen, auf den Plätzen, als sich u.a. auch die Rumpel-Clique vor dem «Goldenen Sternen» kurz vor vier Uhr aufstellte. Und weil auch die Lälli-Clique mit ihrer jungen Garde und die «Alte Schnooggekerzli» im gleichen Lokal hausten, begann man den Morgenstreich eben gemeinsam - ein Prachtszug! Den rund 40 Steckenlaternen folgten die vier Laternen, gleich dahinter der gewaltige Pfeiferharst in 6-er Reihen und vor den etwa 40 Tambouren schritten die drei Tambourmajore. Und als - kaum hörbar - die Kirchturmglocken vier mal anschlugen und der etwa 17- jährige Tambourmajor der «jungi Lälli» das Kommando «Dr Morgeschtraich, die Alte - vorwärrrrts - marrrrrsch!» durch die Larve brüllte, als die jubelnden Piccolos und die d dumpfen Kalbfelltrommeln nach sechs Jahren Wartens erstmals wieder an den Hausfassaden widerhallten, da fieberte es gar manchem alten Bebbi kalt und zugleich heiss durch seine Glieder. Wer hätte da vor Freude nicht Tränen vergiessen oder auf offener Strasse wildfremde Menschen umarmen können?
Diesen Morgeschtraich kann man in Worten nicht wiedergeben, das muss man «am aigene Ranze miterläbt haa!». Die Rumpler erlebten es entsprechend. Oft wurde der Zug durch die Menschenmassen auseinander gesprengt, die Laterne geriet in Gefahr, die Trommler konnten zeitweise nicht mehr trommeln. Menschenwogen überfluteten die Strassen und Gassen. Die einst begonnene Tradition, nur am Mittwochnachmittag mit dem Sujet-Zug aufzukreuzen, wurde beibehalten. So startete am Nachmittag des 13. März die gut 40 Mann zählende Rumpel-Clique mit ihrem typischen Baslersujet «D'Fähri-Taufi» vom «Sternen» aus, um kurze Zeit danach am Steinenberg vor dem Fasnachts-Comite vorbeizuziehen. 15 Vorträbler bahnten den Weg frei, damit die Requisiten, die Laterne, die 11 Pfeifer und die 12 Tambouren mitsamt dem gewaltigen Tambourmajor einigermassen ungehindert rollen und marschieren konnten. Gar mancher Rumpler und Aktiv-Fasnächtler zeigte sich abends froh darüber, als der Tambourmajor letztmals abwinkte und man sich hierauf ins Innere des gemütlichen «Schtärne» zurückziehen konnte. Die erste Nachkriegsfasnacht 1946 war damit abgeschlossen.
Doch das Rumplerleben ging in gewohntem Rahmen weiter. Ein nächster Höhepunkt war wohl das 25 jährige Jubiläum im Jahre 1948. Am 8. Februar präsentierte sich die Rumpel- Clique erstmals seit dem Bestehen am Monstre-Trommelkonzert auf der Küchlinbühne. Sie trat im bereits bekannten Rumplerkostüm auf, um hier die offizielle Gratulation vom Fasnachts-Comite entgegenzunehmen. Sowohl für das Fasnachtspublikum als auch für die aktiven Rumpler war dieser Besuch im «Kiechli» etwas Eigenartiges. Es schien derart von Bedeutung zu sein, dass sogar eine gewisse Illustrierte-Zeitung die Rumpler farbig (damals noch eine seltene und zugleich kostspielige Drucksache!) im Bildteil brachte. Am Samstag vor Fasnacht, am 14. Februar, feierten dann die Rumpler zusammen mit ihren Angehörigen und Gönnern den Rumpler-Ball im «Schützenhaus» und zwei Tage später jubilierten sie im Kostüm zwischen «Sternen» und Claraplatz.
Das Jahr 1952 brachte eine Wendung in das Leben der nunmehr 29 Jahre alten Rumpel-Clique: Martin Strübin trat nach 28-jähriger Obmannstätigkeit zurück und bestimmte Peter Schaub zu seinem Nachfolger. Und wieder machte die Rumpel- Clique von sich reden:
Als die Gesandten von Österreich, Schweden, Norwegen und Deutschland mit der Gattin des damaligen Bundesrates Holenstein die Fasnacht miterleben wollten, quartierte sie der zuständige Protokollchef kurz und bündig im «Goldenen Sternen» ein. Nicht zum Übernachten, vielmehr um mit den Rumplern gemeinsam die Mehlsuppe einzunehmen. Still sassen sie nun zwischen den «eingekleideten Narren» und hörten, was ihnen der Obmann in Kürze über die Fasnacht berichtete. Ein Rumplerjahr löste das andere ab. Und als man am Kalender plötzlich die Jahreszahl 1963 las, war wieder einmal ein Grund zum Feiern vorhanden: 40 Jahre Rumpel-Clique. Am 18. Mai wurde dieses Ereignis im festlichen und rumplerwürdigen Rahmen im Refektorium des Kleinen Klingental-Museums begangen. Zusammen mit den Familienangehörigen und einigen geladenen Gästen tafelten die Rumpler nach alter Sitte und liessen sich von den Damen einen prächtigen und fasnächtlich bemalten Geschirr-Schrank schenken, der dann im oberen Geschoss des «Goldenen Sternen» seinen Platz fand und von gar manchen Gästen stets aufs neue bestaunt wurde. Nur ein kurzes Jahr lang durfte dieses Prachtsmöbel Gastrecht im «Schtärne» geniessen. Die Maulwürfe Basels nagten weiter und erfassten im Herbst 1963 auch die Wurzeln dieses allseits beliebten Gasthofes. Die obere Aeschenvorstadt zeigte an jenem Oktober-Samstag sichtliche Trauer. Denn mit dem «Sternen» wurden auch die dort seit Jahren hausenden Cliquen Lälli, Alti Schnooggekerzli und Rumpel vertrieben. Die beiden erstgenannten haben noch rechtzeitig das Lokal verlassen und anderswo Untermiete gefunden.
Nur die Rumpler hatten noch ihre Habseligkeiten und Archivstücke im Hause. Und weil der Auszug die Rumpler eben traurig stimmte, kamen sie an jenem Oktober- samstag in schwarzer Kleidung, mit Trauerlätsch am weissen Hemd, mit Schürze und Tiefgangwagen, um all das zu zügeln, was ihnen eigen und kostbar war. Kaum war alles verpackt und auf dem Wagen aufgetürmt, hiess es vom guten, alten «Schtärne» Abschied nehmen. Der Zügel-Zug formierte sich und pfeifend und trommelnd ging es via Freie Strasse zum Marktplatz, von hier aus zur Schneidergasse und von dort aus in Einerkolonne ins Haus Imbergässli 12. Ins neue Heim, das durch einen Gönner zur Verfügung gestellt wurde. In monatelanger Arbeit haben die Rumpler dieses einst verlassene Haus in eine noble Cliquen-Liegenschaft umgewandelt, die nach Ansicht und Meinung gar mancher Fasnächtler und anderer Personen, die einmal ins Innere gehen durften, unbedingt als denkmalschutzwürdig zu betrachten ist. Hier haben die Rumpler nun ihre eigene Vortrabs-, Pfeifer- und Trommlerstube, eine kleine und gut eingerichtete Küche, eine heimelige Toilette sowie einen schmucken und würdigen Empfangsraum. Doch ihre traditionellen Mahlzeiten müssen die Rumpier nun über die Gasse einnehmen; einmal bei diesem Wirt und ein andermal in jenem Gasthof. Denn das Rumplerhaus ist und bleibt ein kleines Refugium oder ein stiller Ort der freundschaftlichen Begegnung!
Vor 50 Jahren wurde der kurze Zweizeiler geprägt: D’Frindschaft pfläge, gmietlig sy, dr Wahlspruch sell vom Rumpler sy! Die Rumpler-Generation von heute ist ihm treu geblieben und hält die Worte hoch in Ehren. Durch Freundschaft und Gemütlichkeit ist die Clique stark geworden und durfte die vergangenen 50 Jahre, ohne nennenswerte Schattenseiten erleben zu müssen, richtig geniessen. Nicht nur mit ihrem einmaligen Mittwochnachmittags-Fasnachtszug. Als Lebenskünstler haben sich die Rumpler von Anfang an Anlässe geschaffen, die Jahr für Jahr traditionell abgehalten werden. Am ersten Stammtisch des Jahres wird das Fasnachts-Sujet bestimmt und etwa drei Wochen vor Fasnacht kommt die künstlerisch gestaltete Fas- nachtseinladung mit dem Fasnachtspensum ins Haus. Ihr liegt aber auch der bekannte grüne Schein bei, damit der Cliquenrodel tüchtig gespeist werde. Die Rumpler bezahlen alle ihre Fasnachtsauslagen selber - was freiwillig eingeht, bleibt als Reserve in der Sparsau! Und sind die drei Fasnachtstage vorbei, so trifft man sich am Samstagabend nach Kehraus zur Rumpler-Tagung. Andere Cliquen nennen dies gem. OR «Generalversammlung». Die Rumpler kennen aber keine Statuten und keine Wahlen, deshalb können sie das wenige Geschäftliche auf ein Minimum beschränken und sich mehr Zeit für die Geselligkeit im Freundeskreis widmen. Der Obmann-Rückblick, der kurze Säckel-Bericht und die festlichen Neu-Aufnahmen finden zwischen Suppe und Hauptgericht, zwischen Hauptgericht und Dessert und zwischen Dessert und Kaffi-Gleesli statt.
Tritt der Obmann, der Säckelmeister oder der Schreiber vom Amt zurück, dann bestimmt er selber seinen Nachfolger. Einwände hat es in den vergangenen 50 Jahren niemals gegeben, denn der Zurücktretende weiss, was er seiner Rumpel- Clique schuldig ist. Auch das ist wahre Freundschaft!
Seit 1943 hat sich ein weiterer Anlass eingebürgert: Die Rumpler-Weihnacht. Am Montagabend vor Weihnachten - es ist der übliche Stammtischabend - sitzen sie in ihrem Refugium; früher in ihrem Stammlokal. Nach dem obligatorischen Santiglaus liest der Obmann ein Kapitel aus der Weihnachtsgeschichte und die vom Alt- Rumpler-Tambourmajor Karli Junker gestifteten Stollen, Gutzi und sonstigen Spezialitäten finden im Männerkreis verdiente Anerkennung. Alle 10 Jahre gehen die Rumpler auf die Rütlifahrt und seit 1961 verbindet sie eine freundschaftliche Beziehung zum Elsässer Städtchen Colmar, das jedes Jahr für den Fasnachts-Nachbummel zum Ziel bestimmt wird.
Als besonderes Erlebnis ging das Jahr 1962 für die Rumpler in die Cliquen-Geschichte ein. Denn vier Tage waren sie Gast an den „Fêtes des vignerons“ in Dijon. Während Trachten- und Musikgruppen aus zahlreichen Ländern Europas, aus den USA und aus Israel ihre Tänze aufführten oder ihre musikalischen Weisen spielten, zogen die Rumpler in historischen Beresina-Kostümen trommelnd und pfeifend im Umzug mit und schlossen mit manchen ausländischen Teilnehmern herzliche Freundschaft. Hochzeiten, runde Geburtstagsfeste oder ausser-gewöhnliche Familienanlässe eines Rumplers werden mit dem traditionellen «Schtändeli» begangen, denn man kennt sich und nimmt an den frohen Geschehnissen Anteil... Frindschaft pfläge!
Man schreibt anno Domini 1973. Die Massenmedien berichten über Geschehnisse, die ähnlich lauten wie anno 1923, zur Rumpler-Gründungszeit Franz Josef Strauss tagt in München, ein gewisser Herr aus Zürich sieht für die Schweiz einen schwarzen Bach und sorgt dafür, dass im Bundeshaus das Kapitel der Überfremdung immer wieder am Tageslicht erscheint, und die Franzosen halten sich in der Gegend von Freiburg im Breisgau auf. Die VKB organisiert einen Familienabend mit Tombola und der Ehecomputer sucht seriösen Herrn für junges Mädchen zwecks Verbringung der Freizeit. Die Volkshaus-Abstimmung vom vergangenen 3. Dezember ergab 36427 Ja zu 40524 Nein und ein Basler Pub sucht Serviertochter für ans Selbstbedienungsbuffet. Viel hat sich also in den vergangenen 50jahren nicht geändert. Höchstens, dass das Zürcher Arbeitsamt nur noch 3 Arbeitslose registriert, dass eine Waggisblouse heute Fr. 29.90 kostet, dass der F.C. Basel öfters mehr Goals erzielt als seine Gegner und dass man in Basel, Colmar und Dijon sehr oft über die Rumpel-Clique redet.
(Dieser Text – von Niggi Schöllkopf geschrieben - entstammt dem Buch „50 Rumpler Blätzli“ das anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Rumpelclique aufgelegt wurden.